Angie Butterfly - oder wie man fliegen lernt
Theaterstück von Mathias Wienecke
Angie Butterfly
13 Jahre, liegt mit Blutkrebs im Krankenhaus und begreift langsam, dass sie unheilbar krank ist. Die Sorge nach dem „Was kommt?“ wird für sie überlagert von der Sorge, dass Ihre Freunde der Situation nicht gewachsen sind.
Putzi
eine junge Italienerin, die im Krankenhaus sauber macht und eigentlich Immaculata heißt. Sie wird für Angie zu einer wichtigen Freundin und bringt auch so einiges ins Rollen.
Agathe
Krankenschwester – so wie man sie sich in seinen schlechten Träumen vorstellt. Immer in Eile und sehr nervig.
Doch zum Schluss auch sehr verständnisvoll und liebevoll fürsorglich
Micha
eigentlich Michael – aber so nennt ihn niemand. Er ist erst 12 und somit der Jüngste in der Clique und kommt sich oft überflüssig vor. Unter seiner großen Schwester leidet er ziemlich. Insbesondere als er auf einmal ganz wichtig wird.
Babs
heißt eigentlich Barbara. Sie ist die „große“ Schwester von Micha und ist gleichzeitig Angies beste Freundin. Auch wenn niemand das jemals festgelegt hat, ist sie die Chefin der Clique.
Sam
richtig: Samara - auch für sie ist Angie die beste Freundin. Sie ist etwas zurückhaltend aber sehr fürsorglich und leider auch ziemlich ängstlich.
Peter
Er ist der Älteste in der Gruppe. Eigentlich gehört er gar nicht richtig dazu. Krankenhäuser hasst er. Er möchte Angie schon gern besuchen und er weiß auch, dass Angie sich das wünscht, aber dort reingehn?
Szene 19 - Abschied üben
...
Angie Ach, nun macht nicht so ein Gesicht.
Sam Ich kann nicht anders. Ich muss immer dran denken, dass wir
vielleicht
bald nicht mehr herkommen zu dir. Dass du ...
Angie ... dass ich tot bin. Ja.
Babs Du sagst das so selbstverständlich. Hast du denn gar keine Angst?
Angie Nicht mehr. Ich hab viel Angst gehabt.
Und ich hab auch Angst vor
den Schmerzen. Aber nicht vor dem Tod. Ich weiß,
dass ihr immer an
mich denken werdet und viele andere auch.
Micha Und das nimmt dir die Angst? Kann ich irgendwie nicht glauben.
Angie Ich hab hier eine neue Freundin kennen
gelernt. Sie macht hier
sauber. Sie kommt aus Italien. Sie hat viel mit mir
über das Sterben
geredet und über das danach. Sie hat mir ganz viel Hoffnung
gegeben.
Sam Was denkst du, wie wird es sein, wenn du tot bist?
Angie Ich weiß es nicht. Aber was werdet ihr machen?
Sam Ich glaub ich werde nur noch heulen.
Babs Ich will mir das gar nicht vorstellen, Angie.
Angie Doch, Babs, das ist wichtig. Kommt, wir probieren das mal aus:
Micha Was?
Angie Na, wie das ist, wenn ich tot bin. Stellt
euch vor ich bin jetzt tot hier
in meinem Bett und ihr kommt zu Besuch.
Sam Erst hätte ich glaub ich Angst, aber
dann würde ich dich noch
einmal in den Arm nehmen wollen.
Babs Ja, ich auch.
Angie Kommt, wir probieren das jetzt wirklich mal.
Micha Na gut, auf deine Verantwortung.
(Die drei gehen zur Tür und stellen sich feierlich auf. Angie liegt, schließt
die Augen und faltet die Hände über der Brust.)
Babs (geht tragenden Schrittes auf Angie zu)
So, Angie, nun kommen wir das letzte Mal zu dir um Abschied zu
nehmen. Leb
wohl.
Angie (richtet sich auf) Quatsch: Leb wohl - ich bin tot.
Babs Nein, das war schon Absicht. Leg dich wieder hin.
Micha Ich hab zwei Kerzen mit. Die werde ich
jetzt für dich anzünden
Angie.
Angie Ja, das ist schön, aber warte bis ich wieder tot bin.
Babs Leb wohl, Angie! (sie zitiert aus dem
Kopf) Jesus Christus spricht:
Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten, und
wenn ich
hingegangen bin und euch
eine Stätte zu bereiten, dann komme ich
wieder und will euch zu mir nehmen, damit da, wo ich bin auch ihr
seid. Dies ist mein letzter Gruß an Dich. Auf Wiedersehen, Deine
Barbara.
Sam Das hat Babs Großmutter an Babs
geschrieben, bevor sie gestorben
ist.
Angie (im Liegen) Das ist sehr schön.
Micha Sei still, du kannst nicht mehr reden, du bist jetzt tot.
Sam Du auch, wenn Angie tot ist, kannst du nicht mehr zu ihr reden.
Micha Ach so, ja. – Doch kann ich wohl. Ich
würde das vielleicht dann so
sagen: Angie, du bist jetzt tot, aber ich werde
immer – oft – an dich
denken. Ich werde mich erinnern an all das, was wir als
Clique
miteinander angestellt haben. Zum Beispiel wie wir der doofen ...
Babs Meinst du ernsthaft, dass hier unsere
bösesten Streiche
hingehören?
Micha Ja, warum nicht, war doch eine coole
Sache.
Angie (im Liegen, lächelnd) Ja, find ich auch.
Sam Pssst.
Babs Jetzt du, Sam.
Sam (holt tief Luft dann wird ihr die
Situation sehr eng, sie spürt die
Tränen aufsteigen – fast schluchzend) Ich glaub ich kann nix
sagen, Angie. (sie läuft zu ihr und umarmt sie. Angie
schlägt auch
die Arme um sie)
Micha Aber....
Babs Sei still. (nach einer ganzen Weile löst Angie die Umarmung.)
Sam Jeder Scmetterling, den ich sehe, wird mich immer an dich erinnern, Angie.
Angie Danke dir, Danke euch allen. Das tut gut.
Ich weiß jetzt, dass ihr
das hinbekommen werdet.(wieder etwas lockerer aber deutlich
erschöpft) Aber ich glaub, wir müssen das noch ganz schön üben,
das Abschied nehmen.
Babs Dennoch wird das schwer werden, wenn es
dann echt ist.
Sam Ja, sehr schwer.
Angie Ich wünschte mir, dass es euch nicht so
schwer ist. Macht es wie
Micha, erinnert euch an all das Schöne, was wir erlebt haben.
Sam Aber es hätte noch so viel Schönes
passieren können.
Babs Es soll noch so viel Schönes passieren.
(stupst dabei Micha an) Wir
gehen dann mal, Angie. Das war auch für dich ein anstrengender
Besuch. (sie umarmt Angie, während Sam Micha hilft, hinter dem
Bett zu verschwinden)
Angie (liegt mit geschlossenen Augen da) Macht’s
gut, meine Freunde.
...